Sonntag, 21. Februar 2010

Zitat der Woche

Nicht immer muss der Dalai Lama herhalten für wohldosierte Alltagsweisheit und Lebensphilosophie. Man hat auch Freunde. Folgende Tiefgründigkeit will ich euch nicht vorenthalten:
"Akkordeon ist wie Soziologie – kein Mensch braucht es."
Auf Nachfrage wurde näher präzisiert: Es ging natürlich um das Akkordeonspielen, nicht gegen das Akkordeon selbst, denn "es ist an sich ja ein schönes Instrument und kann nichts dafür." Oh, na das ist gut zu wissen. Wie es sich damit bei der Soziologie verhält, hat das Orakel allerdings für sich behalten.

Dienstag, 16. Februar 2010

"Hei-Jo!"

..., so lautet der offizielle Berliner Karnevalsruf (von "Heiterkeit und Jokus", nein, das wirkt überhaupt nicht konstruiert). Ja, Tatsache: Sowas hat Berlin! Ganz ehrlich und vor allem ernsthaft! Kennt nur keiner; nichtmal der Berliner selbst. Und überhaupt: Karneval? Hier? Ick gloob, meen Schwein feift!

Zunächst mal heißt das hier Fasching. Ebenso, wie das beliebte, fettigsüße Krapfenteiggebäck Pfannkuchen heißt. Des Weiteren ist das Ganze hier was für Kinder (wohlverdient ham se sich's). Überdies kennt hier niemand Begriffe wie Fettdonnerstag oder Karnevalfreitag und nutzen tut diese Tage auch keiner: Die lieben Kleinen feiern am Rosenmontag sowie vor allem am nicht etwa Veilchen-, sondern Faschingsdienstag, und wenn das vorbei ist, ist das auch nicht weiter schlimm. Ich entsinne mich an meine Grundschulzeit und diverse Faschings-"Nachfeiern" lange nach Aschermittwoch; denn mit Scheinheiligkeit, Bigotterie, Aberglaube und anderen christlichen und vorchristlichen Tugenden haben wir's hier seit der Moderne ebensowenig wie mit dem Grundgedanken, mal unter kirchenkalendarischem Deckmäntelchen eine streng festgelegte Zeit lang die Sau rauszulassen und hinterher von den Sünden nichts mehr zu wissen, geschweige denn, was aus ihnen zu lernen. Und dann, schlussendlich, lasse man doch bitte den Berlinern ihre hart erarbeitete und ebenso wohlverdiente Antihaltung inklusive amüsierzwangbefreiter, jeckenabstinenter Zone.

Doch wie das so ist: Die Besatzungsmächte drücken den Einheimischen rücksichtslos ihre Bräuche auf und bezwecken, sie - notfalls mit Gewaltanwendung - zu missionieren (oft kennen sie es nicht anders; schließlich haben die Ärmsten es zuvor meist selbst bitter so erfahren müssen). Die Gewalt kann hierbei auch psychischer Natur sein. Früher waren das die Schwaben, eine mittlerweile selbst aus der Region vertriebene Ethnie. Seit Jahren schon versuchen nun die hier stationierten Exil-Bonner und artverwandten Zugezogenen, in Berlin allen Ernstes(!) einen Karnevals-Festumzug zu etablieren (angeblich nehmen auch immer ein paar Menschen teil an dem traurigen Vorfall - mutmaßlich keine echten Berliner). Laut jelacht. Außerdem werden ein paar tatsächlich existente, lange und zu Recht völlig unbekannte Berliner Karnevals-"Traditionsvereine", die bisher aus einigen verwirrten, alten Männern bestanden, welche auf Uniformen, Vereinsmeierei, Satzungen und Tagesordnungen standen und sich ihr Biotop dafür erhielten, ins Rampenlicht geschubst, mit öffentlicher, militanter Brauchtumpflege und PR beauftragt sowie von den Besatzern gefördert. Aufgehen will die Rechnung jedoch nicht so recht.

Vielmehr wächst Widerstand, der dem an sich ja sehr offenen und toleranten, Minderheiten respektierenden und sich mit widrigsten Gegebenheiten immer wieder arrangierenden Berliner Geist schon durch echte Schmerzen entwachsen sein muss. Da ist dringend gegenzusteuern, ehe der Berliner sich vergisst oder aber intolerant wird! Sonst entsteht ein gefährliches, explosives Klima an Spree und Havel, und plötzlich wird gegen den Eindringling aufbegehrt! Denn die Angst vor kompletter Dominierung und Überfremdung wächst. Es gibt ganze Wohnquartiere, in denen ungewohntes Stimmengewirr einer sich großkotzig aufführenden, die örtlichen Preise und damit Lebenshaltungskosten in die Höhe treibenden, alles Berlinerische verteufelnden und als pampig oder unkultiviert verhöhnenden, zugezogenen Minorität erklingt. Quartiere, in denen nichts mehr in der Heimatsprache beschriftet ist: "Bäckerbrötchen" liest man da statt Schrippen, und statt der ekligen, aber liebgewonnen Pfannkuchen bieten die derart fremddominierten Backwerkhändler zu Silvester und auch zu irgendwas, das sich irreführend "Karneval" nennt, sogar "Berliner" feil - der Eingeborene gruselt sich, denn er will keine Brüder und Schwestern essen. In der Kneipe soll es für die Barbaren "Kölsch" regnen statt `ne Molle und dazu "Frikadelle" statt Buletten sowie "Schnittchen" (welch Sexismus!) statt Stullen. Hoffentlich keine Schnittchen mit Berlinern drauf. Dazu schreien neuerdings noch einige Rädelsführer "Alaaf!". Panik greift um sich. Das Bedrohungsgefühl schleicht sich in den berlinischen Alltag. Das ist nicht gut für den sozialen Frieden, die Mechanismen sind leider bekannt: Ein Tier, das sich bedroht fühlt, geht womöglich zu Angriffsverhalten über. Das kann enorme Kräfte freisetzen. Alles läuft auf die gute, alte (etwa so alt wie die Hauptstadtentscheidung mit Regierungssitz-Umzug) Parole hinaus: "Ausländer rein, Rheinländer raus!" - Zumindest die, die kriminell sind (also zum Beispiel auffällig werden durch Diebstahl und Hehlerei von Identitäten; durch tusch- und wimpelbewaffnete Erpressung und Nötigung mit völkisch-abergläubischem Brauchtum; durch Anstiftung oder Beihilfe zum Schunkeln; durch Überfall auf die guten Sitten; durch Einbruch von Niveau; oder durch Gehirnvergewaltigung). Und die, die sich einfach nicht an unsere Kultur anpassen und sich nicht integrieren wollen. Und die gefährlichen Fundamentalisten unter ihnen. Die sollte man alle ausweisen, wieder nach Hause an den Rhein. Falls die solchermaßen in die Pampa geschickten, untragbar gewordenen Kolonialherren dort wegen ihrer Andersartigkeit - als mal im Ausland mit frei feiernden und frei denkenden, nein, überhaupt denkenden, Menschen in Kontakt Gewesene - politisch verfolgt sein sollten, könnte man sie zu ihrem Schutz, denn der Berliner ist ja kein Unmensch, auch in eine sichere Drittregion ausweisen. Zum Beispiel nach Bayern. Am besten zur Oktoberfest-Zeit direkt auf der Wies'n aussetzen.
Heijo!


Samstag, 13. Februar 2010

Welturaufführung

War das ein erhebender Moment, den man als normaler, nichtelitärer, verfrorener Mensch statt im Friedrichstadtpalast oder am Brandenburger Tor zumindest live auf Arte miterleben durfte! Das schon in der bekannten Fassung absolut besondere Stummfilm-Monument "Metropolis" in einer restaurierten, um die wiedergefundenen Szenen bereicherten Fassung und mit Live-Orchestrierung: Da begriff man endlich manche Handlungsstränge, bei denen man bisher dachte, man sei nur zu doof, um Kunst zu verstehen. Danke fürs Erretten meines Selbstvertrauens.

Nunmehr zweieinhalb Stunden lang, ist das über 80 Jahre alte Werk kein bisschen langweilig. Auch die anschließende Doku über Irrungen und Wirrungen von Filmrollen, Historikern und Kriegsbeute warf noch das eine oder andere spannende oder gar skurrile Licht auf einen Film, von dem man bisher dachte, er sei ein derartiger Klassiker, dass man sowieso alles über ihn wisse.
"Welturaufführung" deshalb, weil das, was wir da sehen durften, ja in dieser Fassung zuvor noch niemand gesehen hatte. Denn es ist ja immer noch nicht die ursprüngliche, ganz eigentliche Ur-Version, wie sie zur Premiere 1927 immerhin einige wenige Menschen zu Gesicht bekamen, ehe das Ganze verstümmelt wurde - sondern nur eine filmgewordene Mutmaßung über die ehemalige Montage, bei der auch immer noch einzelne Sequenzen fehlen. Die Sache bleibt für Cineasten spannend. Und der Film ein Wegweiser für Kunst, Film, Architektur und mehr. Hach, schwelg, die 20er Jahre hatten schon was. So, und jetzt will ich sofort ein Original-Filmplakat!

Sonntag, 7. Februar 2010

Bombige Idee!

Lesen macht schlau und öffnet das Denken. Man muss nur aufpassen, dass man nicht auf Geschriebenes von jemandem setzt, der statt des Denkens wohl eher den Arsch offen hat:
Am 3.2.2010 hatte die Axel-Springer-Wochenzeitung "Die Welt" den Mut (oder den Aussetzer des Chefredakteurs - dem Laden bekommt vielleicht die Wechselstimmung nicht), eine großartige Idee zu veröffentlichen. Nun ja, die Idee wird, vorrangig in Übersee, schon zuvor jemandem gekommen sein. Fehlte nur noch der Schritt zum Aussprechen. Und zum Dran-Glauben. Und dazu, das Ganze dann noch als Genialität zu verkaufen – als Einblick in die wahrlichen Lösungen der Politik, bei denen nur unverständlich ist, dass vorher noch niemand unter den Entscheidern auf sie gesetzt und sie einfach mal durchgezogen hat. Wenn also Barack Obama, Hillary Clinton und Robert Michael Gates (oder auch GANZ andere, mal so international betrachtet) noch zögern oder einfach immer noch nicht auf grandiose Ideen verfallen sein sollten: Einfach mal einen Publizisten/Journalisten fragen! Der weiß alles!

Daniel Pipes zum Beispiel ist so einer. Der berät Politiker fachlich kompetent sowie wohlmeinend und weiß im Gegensatz zu ihnen, was zu tun ist. Nämlich: Die USA sollen doch mal endlich den Iran bombardieren! Und zwar so schnell wie möglich, einfach mal eben befehlen, das muss der Obama doch können! Die Lösung für Entspannung liegt doch so auf der Hand! Für Frieden auf Erden – und den Menschen ein Wohlgefallen! Aber das mit dem Weltfrieden ist für Pipes nicht einmal der Hauptgrund: Wichtig an dem Schritt sei vielmehr, dass Obamas Regierung momentan nicht gut dastehe und das "schmale Zeitfenster", in dem man den Iran noch zu Boden bomben könne, die einmalige Chance biete, die Umfragewerte zu bessern und nach innen wie außen mal irgendwie erfolgreich dazustehen. Oh. Ja dann. Da wäre man doch wahrlich gut beraten. Genial!

Beruhigend, dass "Die Welt" das Ganze immerhin gut sichtbar als "Kommentar" und damit als Meinung kennzeichnete, nicht als Informations-Artikel. So weit reicht der Anstand dann noch. Unverständlich bleibt dennoch, wieso dieser Irrsinn überhaupt veröffentlicht wurde. Kleiner Test an die Leser, ob sie auch wirklich lesen – oder nur so tun, um gebildet zu wirken oder in der U-Bahn was vor dem Gesicht zu haben?

Das Schreiben von Kommentaren stellt zugegebenermaßen generell eine besondere Anforderung an Journalisten dar. Um zu vermeiden, dass Leser gelangweilt "Ach nee!?" denken (weil sie diese Rückschlüsse durch Kenntnis der Fakten logischerweise selbst ziehen, ohne auch nur aktiv nachzudenken), sollte die/der Schreibende sich um eine gewisse Originalität, einen anderen Blickpunkt, neue Zusammenhänge, evtl. sogar um etwas Provokation bemühen. Nur nicht um jeden Preis: Gefährliche Doofheit und fortgeschrittene Geisteskrankheit beim verbissenen Gedankenfinden gehören nicht zum Pflichtprogramm. Nichtmal dann, wenn sie fälschlich als innovativ, originell oder "mal ein anderer Ansatz" verkauft werden.

Auf wundersame Weise wurde nach Beschwerde eines Lesers an den DPR (Deutschen Presserat) der höchst denkwürdige Text von der Homepage der "Welt" genommen. In der dortigen URL (hier noch last-minute-artig temporär zu finden) fand sich das inzwischen Gelöschte unter "Kolumnen" einsortiert; das klingt gleich nuanciert anders als "Kommentar" und lässt hoffen: Vielleicht wurde doch auf wundersame Weise einfach nur versucht, Ironie zu verwenden. Falls ja: Es ging daneben. Netterweise hat der Autor das Schmuckstück mit der Idee aller Ideen noch auf seiner eigenen Webseite.

Der Mann ist selber Ami. Außerdem ehemaliger Universitäts-Mitarbeiter in den USA, Gründer des Middle East Forums (ach, na dann weiß er ja Bescheid über den Iran und so - ein Fachmann schlechthin! Zumindest in konservativen Kreisen. Es ist halt noch kein Peter Scholl-Latour vom Himmel gefallen), Autor von 18 Büchern, war 2008 Berater von Giuliani für die Präsidentschaftsvorwahlen-Kampagne und anderes mehr. Auch ist er kein fester "Die Welt"-Autor, sondern publiziert regelmäßig bei der "NY Sun", "Jerusalem Post", "Washington Post", "New York Times", dem "Wallstreet Journal" und ähnlichen Kalibern, keine Peanuts also, nur das Beste vom Feste. Was ihn zur "Welt" gebracht hat, bleibt ebenso ein Rätsel wie die Frage, wo man sein Hirn verbuddeln kann, wenn man nach außen hin und vom Lebenslauf her an sich eins haben müsste. Vielleicht ist sein Partriotismus und damit der Traum, die USA müssten mal wieder die Welt retten und alles können – und sei's auch nur, um nach innen wie außen "gut dazustehen" –, mit ihm durchgegangen. Vielleicht war sein Vorschlag auch nur ein Faschingsscherz. Oder doch ironisch. In allen anderen als den beiden letztgenannten Fällen empfiehlt das Grünzeuch gute, medikamentös begleitete Therapie.

Samstag, 6. Februar 2010

Scheiß Eis 2

Die Guten von der BSR (oder von mir aus auch von Alba – dem Abfallbeseitigungsunternehmen, nicht den Basketballern) haben noch ganz andere Probleme als "We kehr for you" oder dass ihnen längst das Streusalz ausgegangen ist: Der alte, längst abgelegte Radio-Eins-Slogan "Hören Sie orange!" wird nun Wahrheit, wenn es draußen scheppert. Denn dann könnte der ganze Müll-LKW umgekippt sein.
Lustig indes ist es grad für alle sowieso nur, wenn man's mit albernem Humor sieht: vom Laufen wie auf rohen Eiern (womit man kaum vorankommt) über den Hundehaufenslalom (nicht nur im Animationsfilm Ice Age hieß es: "Jetzt taut's!") bis zum Hinfallen.
Auch gar nicht lachen kann vermutlich der Berliner Haushalt, der mal wieder um ein paar Schulden absurder im Minus sein dürfte. Ok, das Problem haben andere Regionen auch, aber: Hübsche Straßenschäden, hübsche Schlaglöcher, hübsche Folgeschäden, hübsche neue Millionennöte für die Reparaturen - Berlin kann das ab. Ob man nun pleite, pleiter oder am pleitesten ist, ist langsam egal.
Warum hat der moderne Mensch eigentlich noch keinen Straßenbelag erfunden, der ein bisschen Eiszeit (im Wechsel mit fatalem Tauen, einer Art intraasphaltinen Flutkatastrophe) abkann? Bis dahin sammelt Roland Emmerich schonmal Material für seinen nächsten Endzeit-Katastrophen-Film.
Counter