Freitag, 31. Dezember 2010

Ruten Gutsch!

... oder auch: "Ice Age 2 - jetzt taut's!"

(Seid froh, dass ich keine tauend-schmierende Hundescheiße geknipst und hochgeladen habe. Die wäre oft sehr abbildenswürdig. Wie geschickt sie sich unter das Braun der Böllerspuren schummelt!)
Auf dem teils wahrlich steinigen (s.o.), teils matschig-rutschigen Stracciatella-Weg ins neue Jahr (mein früherer Lateinlehrer hätte wohl gesagt: "glupschi et glitschi") wünscht dit Jrünzeuch seinen LeserInnen allet Jute - und vor Ort angekommen dann naturellement nur das Beste für 2011.

Dienstag, 28. Dezember 2010

Casus knaacktus

Zeichen der viel beschrienen Gentrifizierung zeigt das sich rapide wandelnde Berlin immer mehr. Die ehemals alternative, entspannte Hauptstadt der Sub-, Super-, Anti- und Unkultur und der Leben-und-leben-lassen-Atmosphäre gemäß dem Motto "Jedem Tierchen sein Pläsierchen" ist auf dem beeindruckenden Weg dahin, München in Sachen Schickimicki-Einheitsbrei-Sauberimage einen langweiligen Konkurrenzkampf zu liefern; bei rasant steigenden Eintrittspreisen für das sportliche Kräftemessen, versteht sich. Aber Dabeisein ist alles!

Wer mal wieder ein Beispiel der schillernden Art sucht, der sei an den traurigen Fall (in zweierlei Wortsinn) des Knaack-Klubs verwiesen. Nachdem in der Umgebung schon andere Stätten des Nachtlebens weichen mussten, weil zu viele Neuansässige sich über Lärm aufgeregt oder das Jungvolk effektvoll vertrieben hatten, muss nun zum Jahresende auch "das Knaack" schließen. Es tut dies atemlos: nach langem juristischem und verwalterischem Kampf und qualvollem Sterben nach Dahinsiech-Art in einer Farce aus Fristen, Kräftemessen, Fingerzeigen, technischem und baulichem Nachrüsten (natürlich nur auf Club-Seite) und starren, vernichtenden "Lärmschutz"-Auflagen [23-Uhr-Stichkontrollen und Dezibelmesser zur Zimmerlautstärke (sic!) von maximal 25 dB auf dem Tresen, etwa in kleiner Karaoke-Runde, stammten aus keiner Versteckte-Kamera-Aktion, sondern waren Realität]. Damit muss nun aber nicht ein x-beliebiger angeblicher "Szeneclub" aus der schnelllebigen, neueren Prenzl'berger Partyszene weichen, sondern eine regelrechte Traditionsstätte der städtischen Jugendkultur und ein einendes Element Berlins. Es trifft diesmal einen Club, der seit fast 60 Jahren bestand und damit trotz seiner Unspektakularität etwas Besonderes war; einen, der schon die DDR kritisiert und überlebt und Ostberliner Teenagern mit Sport, Musik und mehr eine Anlaufstelle geboten hat ("Jugendheim Ernst Knaack") und der danach dem Gesamtberliner Jungvolk sowie, generös, auch Touri-Amüsierwütigen eine bezahlbare, alternative, unkomplizierte, dresscodefreie Großdisko mit mehreren Ebenen und Stilen sowie Livekonzerte bereithielt. Der Opa unter den Jugendclubs muss dem Platz machen, was sich hinter modernen Neubaufenstern nebenan in der Heinrich-Roller-Straße verbirgt und von dort voll Abscheu hinüberlauscht: Kleingeist, Kurzsichtigkeit und Doppelmoral. Diese Geisteshaltungen wohnen gemütlich und urig in den Stirnen einer zuziehenden oder zumachenden Yuppie-Neuanwohnerschaft, die sich per Reißbrett-Empfehlung schicke Eigentumswohnungen kauft, welche in ein Amüsierviertel hineingebaut werden, direkt an eine große Disko und Konzerthalle - weil es in der Gegend ja so lebendig und aufregend und "total Berlin" ist -, und die sich dann paradoxerweise erschreckt und aufregt, dass da, huch, ein Amüsierviertel, eine große Disko und Konzerthalle, eine lebendige und aufregende Gegend und total viel Berlin sind. Dagegen muss man nach dem Erschrecken und Wundern doch irgendwas tun!

Absurderweise hatte das Ganze Erfolg. Langgezogene Kampfhandlungen, Versuche, Diskussionen, Aufregungen, Trotz oder Appelle an den gesunden Menschenverstand oder an ein zu führendes stadtteilkulturerhaltendes Kiez-Quartiersmanagement brachten nichts: Der Knaack-Fall wurde zum Kack-Fall. Ein neuer Standort konnte nicht gefunden werden. Es wäre vermutlich auch nicht mehr dasselbe.

Rest in peace! Spätzle und Rotwein, Blutwurst und Kölsch oder einfach blauweiße Karos und Alpenglühen für alle - und eine gediegene, familienfreundliche 17-Uhr-Dinnerparty mit Pianist an der Greifswalder Straße!
..., die hoffentlich bald für den Durchfahrtverkehr gesperrt wird. Ist nämlich ekelhaft laut, wie einigen neueren Anwohnern aufgefallen ist. Gerüchtehalber soll das daran liegen, dass dort sogar Autos durchfahren dürfen. Ein Unding, und das auf so einer breiten Straße! Da auch die lästigen, hässlichen, rot-gelb-grünen Lichtzeichenwechselanlagen den Schlaf, die Ästhetik und die Küsse anwesender Musen stören, muss an diesem Um- und dem allgemeinen Zustand ohnehin früher oder später etwas geändert werden.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Kopftuchmädchen

Das Dienstleistungsgewerbe ist auch nicht mehr, was es mal war. Diplomatie und Feingefühl gehen anders. Aber Diplomatie und Feingefühl sind nicht lustig.

Die meisten Menschen gehen mit der Erwartungshaltung zum Friseur, sich hinterher besser und schöner zu fühlen. Diese Hoffnung hat Frau E. Feu längst aufgegeben. Deren Erwartungshaltung rangiert inzwischen vielmehr irgendwo zwischen Schadensminimierung, Gnade und Unterhaltung.

Munter, naiv, flott, unreflektiert, in fließendem Alltagsdeutsch und gnadenlos ehrlich plappert die mutmaßlich türkischstämmige Jungfriseurin drauflos: Ihre Cousine, die habe "auch so ein Problem, auch so ganz krass dünne und wenige Haare" (danke), aber "noch schlimmer!" (danke), die bekomme teilweise schon eine Glatze. Das sei aber für diese "sowieso noch viel schlimmer", denn: "Die ist erst 22! Die ist noch jung, wissen Sie? Wenn man noch jung ist, ist das echt scheiße. Weil, wenn man nicht mehr jung ist, also mehr so wie Sie, ist das ja eigentlich egal" (danke, danke, danke).
Eigentlich war das schon viel Pensum. Aber die Kundin lernt auch noch etwas über Integration, über Sarrazins irrige Ursachenannahmen zur Produktion gewisser Frauentypen und darüber, dass uses and gratifications nicht nur eine Herangehensweise an Mediennutzung, sondern an die Nutzung ganzer Kulturen sein können: "Das Praktische ist, die ist Muslima! Die hat jetzt einfach beschlossen, dass sie doch lieber ein Kopftuch tragen will."
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