Montag, 30. Mai 2011

Spaß-i

Man erkennt den Grad der [ersehnten/angestrebten] Szenigkeit, Hipness oder Junge-Leute-Konzentration einer Berliner Wohngegend inzwischen bekanntlich am Vorhandensein und der Verbreitungsdichte der Institution "Spätkauf". Außerdem lieben BerlinerInnen es, alles abzukürzen, am besten mit einem I oder einem E am Ende; vorzugsweise Plätze (Alex, Ernie, Kutschi, PlaDeLu, PoPl, Leo, Theo, Helmi, Boxi, Nolli/Nolle, Stutti, Kotti) und Straßen (Kudamm, Tedamm, Potse, Strause, Wilmi, Linde, Luise).
Was bei der Kombination dieser beiden Fakten herauskommt, liest sich - hier in Kreuzberg, das wieder hip sein soll - süffig so:

"Späti am Schlesi": Vermutlich gibt's hier Schulli zu den Ziggis.
(Daneben dank Perspektive die Po-Theke, ein Ladenlokal für'n Arsch?)

Montag, 23. Mai 2011

Brutale Berliner Bronx II

Berliner Bezirke wandeln sich. Aber die Wilmersdorfer Witwen dulden keine Ghettoisierung, keine Drogen, keinen Schmuddel, keine Sprayer und keine Graffiti. Leider nur sehr temporär war daher das schüchtern seitlich auf die glänzend weißen Fliesen aufgebrachte, riesige, wunderschön quietschbunte, gute Laune machende, LSD-Trip-artige Kunstwerk im U-Bahnhof Blissestraße:

Sonntag, 22. Mai 2011

In würdigem Rahmen aus demselben gefallen

Plakate, verzierte Wartehäuschen & Co. locken doch im Internetzeitalter keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Also wirklich. Das ist doch von gestern. Wer soll da noch einen Huch-Effekt erzielen?
So sei es! Einen privaten, leider mit null Euro dotierten (geschweige denn mit Trophäe, Urkunde oder Festveranstaltung zelebrierten) Grünzeuch-Werbepreis erhielten die Agenturen McCann Erickson / Jost von Brandis für innovative Ideen bei traditionellen Werbemitteln im Auftrag der Bremer Brauerei Beck's. Unter anderem nämlich für sowas, das nur wenige Tage in Berlin zu sehen war, ehe allerorten der Sturm es ohnehin zerlegte: 

Dienstag, 17. Mai 2011

Efeuvision Song Contest

Auch dieses Blog muss sich ab und an mit irrelevanter, mainstreamiger Populärkultur befassen (es tut dies natürlich sehr, sehr ungern):

Beim Eurovision Song Contest, besser bekannt immer noch als der Grand Prix de la Dingsda, haben 2011 angeblich einige einiges gezeigt. Die Eurovision hat gezeigt, dass sie tatsächlich ab und zu mehrere hörenswerte und auch stilistisch unterschiedliche Titel hervorbringen kann. Europa hat gezeigt, dass es locker und offen ist, dass es seine Definition nicht so eng sieht und der Ex-Ostblock getrost die EU-Mitgliedschaft beantragen kann, versuchen kann man's ja mal, mit Unterstützung der Nachbarn vielleicht. Außerdem hat Europa gezeigt, dass es null Geschmack hat. Dass gute Musik oder aber partytaugliche Disco schon im Halbfinale zugunsten austauschbaren Matsches rausfliegen (schade z.B. um Belgien, Türkei und Armenien) oder dann in der Schlussrunde keine Mehrheiten finden - mit einzelnen Ausreißern. Aserbaidschan hat gezeigt, dass es weiß, wie Kitschindustrie funktioniert. Deutschland hat gezeigt, dass es Superlative kann. Dass es technisch und organisatorisch fit ist, und zwar nicht nur in der Rüstungsindustrie. Angeblich auch, dass es nicht nur zum Anlass "Fußball" ein Partyvolk ist. Lena hat gezeigt, dass sie singen und Englisch gelernt hat und jetzt Vollprofi ist; womit sie aber die naiv-unbekümmerte, natürliche Bühnenpräsenz verloren hat, die ihren Erfolg begründete. Anke Engelke hat gezeigt, dass es Vorteile hat, mehrsprachig aufzuwachsen. Der NDR hat gezeigt, dass er Multitalente hat. Und RSSR, Rampensau Stefan Raab, hat gezeigt, wann man besser einfach mal die Fresse hält. Und was man aus "Satellite" Gutes, Rockiges machen kann.



Viele sind ja nach dessen Auftritt im Rahmenprogramm der Meinung, wir sollten nächstes Mal Jan Delay zum ESC schicken. Die Autorin steht dem Mann zwiegespalten gegenüber. Der Fischkopp ist sicherlich ein Charakterkopp. Einfach 'ne coole Sau. Er macht gute Musik und Stimmung. Aber das Efeu persönlich hat so Stimmen, die es nicht mag; die von Jan Delay gehört dazu. Das Genäsel nervt einfach, inklusive der Tatsache, dass es irgendwie schade ist, wenn man von guten Texten dann nichts verstehen kann. Andererseits amüsiert die Vorstellung, wie es wohl für die internationalen Gäste war, die lässig groovende Pausenshow zu hören, zu sehen und zu mögen, sich aber, gut ausgestattet mit einem deutschen Wörterbuch oder einem akustischen Vorab-Briefing durch eine Lern-DVD, die ganze Zeit zu fragen: "Welche Sprache is'n das, zum Geier!?" (diese Frage darf im Kopf gern in beliebige europäische Sprachen sowie Russisch, Türkisch, Hebräisch, Arabisch, ... übersetzt werden).

Die Autorin ist vielmehr dafür, 2012 Ina Müller zum ESC zu entsenden. Am besten mit einem Text auf Plattdeutsch, das gäbe auch Folklorepunkte (hier würde sich das Ganze folgerichtig eventuell sogar als Soul-Funk-Duett mit Jan Delay anbieten, Duette gehen immer, q.e.d.). Die Dame als Jury-Präsidentin war ein Grund, die Veranstaltung zu mögen. Und das, obwohl sie auch nicht immer einen treffenden Musikgeschmack hat (leider ebenfalls q.e.d.). Eine andere Variante wäre Stefan Hantel, besser bekannt als Shantel. Internationale, tanzbare gute Laune mit Ohrwurmeffekt – und Punkte gäbe es sicher auch vom Balkan, den ehemaligen SU-Ländern, Israel, Rumänien, Türkei, ...! Ach nein, die Idee wird nichts, mehr als sechs Leute auf der Bühne sind ja nicht erlaubt.

Im Folgenden eine grüne Vorschlägeliste, Pi mal Daumen, wie das Finale diesmal z.B. ausgegangen wäre, wenn die Welt gerecht wäre (Diskussion gern via unten verfügbarer Kommentarfunktion).

Die Top Ten (Geschmacksurteil abgewägt mit Grand-Prix-Stil-Kriterien): 1. Serbien, 2. Italien, 3. Moldau, 4. Deutschland, 5. Estland, 6. Schweiz, 7. Georgien, 8. Irland, 9. Island, 10. Ungarn.

Schleimig-gestrige Boybands und Schnösel sowie Heulbojen bitte nach hinten. Auf die letzten drei Plätze Griechenland für absolut unterirdisch schlechten, unfreiwillig komischen Rap in berechnender Schmalzfolklore-Kombi, Russland für schmierige Retorte und Spanien für komplette Belanglosigkeit.

Montag, 9. Mai 2011

Brutale Berliner Bronx

Indizien, an denen man merkt, dass Berliner Bezirke sich verändern, Teil 1:
An einem Samstagabend in Neukölln unterwegs sein und kurz stutzen, was irgendwie komisch daran war, zwischen aus dem Boden sprießenden Cocktailbars so angesprochen worden zu sein: "Excuse me, do you speak German?"

Dienstag, 3. Mai 2011

Friede, Freude, Eiersuchen

Westlich-abendländische Welt, in einem aber mal sowas von freien Land, abends im Mai, Tag zwei nach X. Alles ist anders. Alles ist neu. Es ist vollbracht. Das Suchen hat ein Ende. Je mehr sich die Nachricht setzt, desto mehr wachsen Gewissheit, Zufriedenheit, Erleichterung und Wohlgefühl: Endlich! Die Freiheit ist gerettätätä! Das Monster wurde in seiner Höhle aufgespürt und hingerichtet. Na dann ist ja alles in Butter. Frieden, Demokratie, Fortschritt, Rechtsstaatlichkeit, Christentum, Moral, Moderne, Zivilisation und Menschenverstand, überhaupt: die aufgeklärte Gesellschaft, haben gesiegt. Und ihre methodische und stilistische, vor allem aber ethische Überlegenheit bewiesen. Wir dürfen wieder leben. Die Welt ist gut. Auf die Straßen und jubeln!

Gerichtsprozesse sind ja auch was für Anfänger. Was soll das ganze Be- und Verhandeln? Rache muss schnell geübt werden und effektiv. Und am besten auf Unbewaffnete und in einem Land, das weder eigener Abknallhoheit entspricht noch fremde Zeigefinger verheißt.

Es reicht auch im Übrigen nicht, wenn ein Herr Obama versucht, seine nächste Präsidentschaft zu retten. Das befreundete Ausland ist auch erleichtert. Man kann ja jetzt endlich wieder auf die Straße gehen. Oder auf einen Flughafen. Unter Leute. Da darf sich dann das Ding, das so tut, als sei es ein Außenminister, hinstellen und den Amis gratulieren und noch jubeln, das sei "eine gute Nachricht für alle friedliebenden und freiheitlich denkenden Menschen". Sic! Ah, für die! Man wusste ja nicht so genau. Doch nicht nur das Guido langt wieder voll zu, Tante Trude im Hosenanzug will auch mal: Merkel "freut sich", dass es "gelungen ist, Bin Laden zu töten".

Manch einer wundert sich ein bisschen. Auch über den ausbleibenden Aufschrei. Warum der so leise ausfällt, ist klar: Kritiker des Modus leugnen wohl den Malus? Die verharmlosen einen Terroristen!
Und was machen Al Qaida und andere Terrornetzwerke? Is' klar, es greift der gute alte Witz: "Bin nicht zu sprechen. Bin Laden (und dann abdrücken)." Wirklich schlau, den Fanatikern auch noch einen unbewaffneten Märtyrer zu schenken. Erst Ground Zero, nun Found Hero.

Ich stimme selten dem Papst zu, wozu auch, aber einmal hat er recht gehabt: Ein Christ, der sich über eine Tötung freut, ist doch ein seltsamer solcher. Übrigens auch ein Nichtchrist; der ist entsprechend ein seltsamer vermeintlich zivilisierter und friedlicher Mensch.
Ach so, ganz christlich wurde nur Gleiches mit Gleichem vergolten? Na, da wurde aber mal wirklich haushohe geistig-moralische Überlegenheit eines Systems gezeigt, das für andere Werte steht als für die des Getöteten. 

Die archaische Lynchjustiz war mehr dies: Uga uga!
"I mourn the loss of thousands of precious lives, but I will not rejoice in the death of one, not even an enemy."
(Martin Luther King, Jr., Strength To Love, 1963)
"Zivilisierte Staaten haben einst das Völkerrecht erfunden."
(Jörg Schönenborn, ARD-Tagesthemen, 2011)
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