Donnerstag, 29. März 2012

Tunnelblick (10): Projektionsfläche

Ein Bonmot aus der letzten Woche gibt es noch zu berichten:
Rund um den U-Bahnhof Deutsche Oper macht sich eine große Filmproduktion breit. Hier dreht "barfuss productions", Til Schweigers Produktionsfirma, noch an ihrem aktuellen Thriller "Schutzengel" herum, wie man den entschuldigenden Aushängen an den Türen der Anliegergebäude entnehmen kann. Nahe der Kreuzung verheddern sich neben der Wagen-und-Technikkisten-Burg zig Kabel und die Wege der geschäftigen Wuseler. Die Stofflehnen zweier klassischer Set-Klappstühle sind artig mit H. Knaup und L. Schweiger beschriftet. Gedreht wurde oder wird wohl (auch) direkt unten im U-Bahnhof. Denn dort stehen, abends gespenstisch verwaist, imposante Lichtaufbauten umher und ganze Kolonnen riesiger weißer und schwarzer Segel, die für Verstärkungseffekte von Licht und Schatten sorgen sollen. Weniger reflektierend ist allerdings ein spätabendlicher Fahrgast. Er schüttelt den Kopf, während er den Bahnsteig entlangschlendert, auf die U2 wartend, und spricht mit sich selbst: "Watt soll dett denn nu wieder? Watt machense denn jetzt wieder? Is doch noch jaanich lange her, die letzte Umbauerei. Und denn so scheiß Kunst! Also die BVG hat wohl zu viel Jeld!" - Ja, als Fahrgast drängt sich wohl die Frage auf, was für interessante Innendekorationskonzepte da von den zähneknirschend gelöhnten Penunzen für die Fahrscheine verwirklicht werden. Ob die vielen Menschen, Kabel, Schläuche und Maschinen oberirdisch auch zur Installation gehören und dauerhaft dort bleiben? Herbert Knaup als Designobjekt der BVG, welch Hauptstadtverkehr!

Sonntag, 25. März 2012

Multikullern

Am ersten wirklich warmen Sonntag des Jahres zeigte Berlins städtischer Ex-Flughafen, der sich immer noch unentschlossen Tempelhofer Park nennen soll, die Stadt von ihrer besten Seite; wenngleich auch noch nach knapp zwei Jahren kein wirkliches Parkflair aufkommen will, weil nach wie vor in der wilden, wüsten Weite ein wenig die Bäume fehlen. Doch huch, da krochen sie mit den Sonnenstrahlen alle aus ihren Löchern: die Alten und die Jungen, Pärchen, Kinder, Familien, Einzelgänger.

Kleinkinder überschreien einander, größere Kinder überfahren sich gegenseitig mit allem, was so da ist - von Laufrädern zum Fahrenlernen über richtige Fahrräder bis zum Skateboard, Snakeboard, Waveboard und wie sie alle heißen. Sehr präsent sind Jogger, Radfahrer und Inlineskater. Wo früher die Boeing anhob, schubsen einander jetzt allerlei Rollen und Füße mit boing und rrrrrssssst voran. Alles rollt. Manchmal auch Tränen. Neben dem Rollfeld, das Kinder mit bunter Straßenkreide bemalen und in Hüpffelder oder Kunstwerke verwandeln, wird gepicknickt, türkische Großfamilien grillen um die Wette. Junge Muttis mit und ohne Kopftuch schaufeln schwitzend auf Inlineskates ihre Sportkinderwagen vor sich her und versuchen hechelnd, sich dabei noch in wildem Sprachengemisch miteinander zu unterhalten. Ein kleiner, dicker, türkischer Junge, der selbst wenig nach Sport aussieht, trägt stolz das schwarze Ersatztrikot der deutschen Fußballnationalmannschaft spazieren - auf dem Rücken steht schließlich "Özil". Wenn die Füße nicht Rollen darunter haben, dann rollt sowieso wenigstens ein Fußball. Eine Gruppe sämtlich übergewichtiger Teenie- und Twen-Mädels entschließt sich auch tapfer zum Ballspielen; auf dem Weg statt auf der Wiese und immerhin 3 Minuten lang, ehe sie alle außer Atem aufhören und lieber weiter essen und trinken. Hauptsache, alles ist im Rollen, notfalls der Braten in den Magen.

Zwischen allem Gewusel gastiert der Zirkus Williams mit ein wenig Tierquälerei; die auf engstem Raum eingesperrten oder eingezäunten Tiger, Kamele oder Zebras faszinieren die versammelten Sprösslinge aber halb so wenig wie etwa eine auf dem Weg laufende Kellerassel, mit der man so schön das klassische Anstupsen-und-Zusammenrollen spielen kann. Auch als Assel kriegt man wechselweise den Koller oder das Kullern.

Gesetztere, Bequeme oder Spontis sitzen im örtlichen Biergarten oder hängen im Liegestuhl. Studis spielen Frisbee, Hunde auch. Über von erwachsenen Männern ferngesteuerten Autos - rrrrr, ssssst - ziehen Lenkdrachen ihre Kreise. Eine dunkelhäutige Rhythmusgruppe trommelt zusammenhanglos, aber mit Spaß. Rentner laufen händchenhaltend spazieren. Rollenspiel-Nerds hauen sich mit Gummiwaffen. Autarke Künstler basteln ganze Dörfer aus Holzbrettern, Benzinkanistern und was sonst noch kompostierbar ist. Ein blondgelockter, barfüßiger Freigeist hat zwei der raren Bäume okkupiert und dazwischen seine Slackline aufgespannt, auf der die Schritte bereits federnd und beschwingt voreinander gesetzt werden. Eine Baumanordnung weiter versucht ein kleines Grüppchen arabisch- oder türkischstämmiger kleiner Mädchen, es dem Tanzwesen gleichzutun; himmelblau ist das gespannte Band, beherrscht wird es noch nicht so gut, aber der Ehrgeiz ist spürbar. Die 80er-Jahre sind nicht nur modisch (leider) zurück, sondern auch freizeitsportlich: Zwischen die vielen Inlineskate-SportlerInnen mischen sich immer wieder Menschen verschiedenen Alters auf Roller Skates oder echten Rollschuhen. Eine gemischte Truppe von ca. 5 bis ca. 50 Jahren fährt damit Slalom um kleine Hütchen und tanzt halbsynchron Pirouetten und Rollschuh-Discofox zu "Miss You" von den Rolling Stones aus dem Jahr 1978, das mutmaßlich aus einem Kassettenrekorder dudelt.

Während die Grünen im Saarland Klimmzüge an der Fünf-Prozent-Hürde machen, funktioniert in Berlin manchmal echte Form von Multikulti: dann, wenn die Sonne über der Grünfläche Klimmzüge macht, dort, wo keine Häuser im Weg stehen und Wiese wie Asphalt geteilt werden.

Sonntag, 11. März 2012

Zitat der Woche (8)

Trainerin im Fitnessstudio:
"Hm. Muskeln hast du aber eigentlich! Da ist nur irgendwie Fett drüber!?"
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