Donnerstag, 10. Mai 2012

Tunnelblick (12): Schwätzen und grabbeln

Drei very short stories aus dem Berliner ÖPNV, alle vom selben Tag:

(1)
In der U7 treibt wieder einmal ein stadtbekannter U-Bahn-Musiker sein Unwesen, dessen hoher Wiedererkennungswert darin liegt, dass er nicht nur zur Schrammelgitarre sonor dahernuschelt, sondern ein merkwürdiges Denglisch spricht und mitten im hektischsten Berufsverkehr ständig versucht, die Fahrgäste mit seiner ostentativ gutgelaunten, pseudodynamischen Art anzustecken – mindestens aber, sie um seinen "Auftritt" herum vollzuquatschen, zu nerven und zu fragen, warum sie alle eine Fresse ziehen. Nach seiner Darbietung geht er mit dem obligatorischen Becher herum. Ein sitzendes Pärchen wühlt, kramt, grabscht sehr angestrengt ewig im Kleingeld herum; er bleibt wartend stehen. Die beiden entscheiden sich doch anders: Mit entschuldigendem Dackelblick schütteln sie den Kopf. Der Quasselgitarrist flachst flapsig im Weitergehen und Waggonverlassen, vergnügt und natürlich mit englischem Akzent: "Schwabe? No problem."

(2)
Tatsächlich schwäbisch zu sein scheinen am frühen Abend auf der S-Bahn-Hauptachse die drei jungen Mädchen, die in modernisiertem Dialekt aufgeregt durcheinanderschnattern. Wenn Schätze schwätze: Hauptsächlich tauscht sich das Trio überdreht darüber aus, dass eine von ihnen sogar schonmal Justin Bieber "so an die Eier gegriffen" hat.

(3)
Der Frühling scheint nun (spät, aber doch) nicht nur bei jungen Schwäbinnen, sondern auch bei nicht mehr ganz so jungen BerlinerInnen ausgebrochen zu sein. Dieselbe, inzwischen erschöpft stille S-Bahn betritt nur kurz nach dem Aussteigen von Justins Spätzlegreifern ein beeindruckend dickes, gepierctes, sonst aber bieder wirkendes Paar um die 30. Der weibliche Part sagt laut, aber eher beiläufig zum männlichen: "Wennwa nach Hause komm', lass uns erstma' auffe Madradse 'n bisschen rumturn'."

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