Sonntag, 26. August 2012

Für Horst

Es gibt Menschen verschiedensten Alters, die einem allmählich, oft aber auch sehr spontan ans Herz wachsen. Böse scheint die ganze Welt, wenn solch ein Mensch gehen muss, noch dazu, wenn das vermeintlich sehr plötzlich ist.

Verlieren wir einen Freund, verlieren wir vieles. Das gilt aber nicht für die gemeinsame Zeit. Egal, wie kurz oder lang sie gewesen sein mag.

Tschüs, lieber Horst. Einigen Menschen haben deine Erzählungen, deine Entwicklung und deine positive Einstellung viel Kraft gegeben. Deine Partnerin (schön war's mitzubekommen, wie man auch im hohen Alter nochmal frisch verliebt sein kann) und deine Familie brauchen nun auch viel davon. Immer, wenn ich Max Raabe höre, muss ich schmunzeln und an dich denken; das wird vermutlich so bleiben und auch auf viele andere Gelegenheiten zutreffen. Ich mag die Vorstellung, dass nun die Originale für dich singen, wenn dir danach ist.
Mach's gut da oben!



Freitag, 17. August 2012

Tunnelblick (13): Geldreligionen, Weltreligionen

Die hitzegebeutelte, stickige, volle S1 besteigen vier Halbwüchsige mit Migrationshintergrund, die sich sehr laut und damit den ganzen Großwaggon unterhalten. Thema sind zunächst Nationalitäten und Hautfarben. Sie beschimpfen sich gegenseitig feixend als "armer Nigger", "viel zu dunkel für 'n Araber" und "Hobby-Afrikaner".
Einer meint plötzlich: "Scheißtag, mir is langweilig, soll ich mal wieder 'Brot für die Welt' machen?" Ein anderer findet das eine gute Idee, aber der dritte und vierte Junge versuchen, ihn von der ominösen Aktion abzuhalten: Er solle "immer alles sparen" und "sein Geld zusammenhalten" und "alles nur für sich selber ausgeben", nur so bringe man es im Leben zu was. "Gib den Asis nie was ab! Die sind doch selber schuld!", findet einer. "Nee, aber doch, ich hab da jetz Bock drauf, bei der Hitze, ich will mal wieder 'Brot für die Welt' machen", insistiert der erste. Was er damit meint, ist: sein Portemonnaie öffnen, Münzen herausholen (alles Mögliche zwischen 1-Cent- und 50-Cent-Stücken), sie mit Schmackes auf den Boden schnipsen und quer durch den ganzen Waggon rollen lassen. Alle vier kichern vor sich hin. Eine sitzende Mama mit Baby fragt: "Kriegt ihr zu viel Taschengeld? Wenn ihr zu viel habt, gebt es ruhig mir, ich nehm es gerne." - "Können Sie sich ja vom Boden aufheben", grinst der edle Brotspender. Sie schüttelt fassungslos den Kopf, der Junge lässt weitere Münzen ihrer Wege rollen und verkündet den Anwesenden: "Hier, wer will, Brot für die Welt, alles für alle, könnt ihr euch aufheben!". Auch auf den Hinweis eines weiteren Fahrgastes, wenn er etwas spenden wolle, könne er es doch bedürftigen Menschen, die oft genug in der Bahn herumkämen und zum Beispiel die Straßenzeitung verkauften, direkt geben, denn diese würden sich sicher freuen, antwortet er erneut arrogant: "Die können es sich vom Boden aufheben!" und fügt diesmal erläuternd hinzu: Ein bisschen "was dafür tun" könnten die schon, sich wenigstens mal bücken, "wenn sie schon nicht arbeiten". Die S-Bahn-Insassen sind wie versteinert. Keiner steht auf.

Das Spiel wird den Jungs zu öde. Irgendwie fangen die fantastischen Vier beim Weiterschnattern an, über Religionen zu fachsimpeln. An dieser Stelle konnte die Verfasserin nicht anders, als nahezu zwanghaft die Tonaufnahme-Funktion ihres Mobiltelefons zu aktivieren. Trotz guten Dialoggedächtnisses erwies sich diese Idee als nützlich, da die kleinen not-so-gentle men sich gegenseitig sehr gerne ins Wort fallen.
Junge 1: "Stimmt es eigentlich, dass Maria vom Heiligen Geist schwanger geworden is und nich von Jesus?"
- verwirrtes Stutzen der anderen, inklusive "Häh?"-Lauten -
Junge 2: "Joseph!! Du Penner!"
Junge 3: "Ja mann, die war mit Joseph zusammen!"
Junge 4 lacht nur.
Junge 2 lacht mit: "Jeeesus ... mann ... Alter ..."
Junge 1: "Aber hat der Heilige Geist die nu geschwängert oder was?"
- kurze Stille -
Junge 1: "Oder Gott oder so? Jedenfalls war die nich von ihrem Freund schwanger. Wer war'n das dann, war das jetz der Heilige Geist oder wer hat die geschwängert?"
- kurze Stille -
Junge 2: "Nee, du Pfosten! Der Heilige Geist doch nich! - - - - Oder?
Junge 4 (gedehnt): "Der Heilige Geist ..." (lacht weiter)
Junge 3: "Ey nee, das stimmt nich, ich schwöre, frag mal 'n Priester!"
Junge 2: "Nee, frag die Zeugen Jehovas, die erklären dir das. Die wollen einem immer sowas erklären."
Junge 1: "Is Jehova was mit Juden?"
Junge 2: "Nee, das is so ähnlich wie Christen."
Junge 1: "Katholisch oder evangelisch?"
Junge 2: "Mann, Zeugen Jehovas halt, kennste nich? Die stehen überall rum oder klingeln bei dir."
Junge 3: "Zeugen Jehovas sind aber scheiße. Die sind voll dumm."
Junge 2: "Scientology is aber auch scheiße."
Junge 1: "Ja, aber der Name klingt krass! Total cool! Find ich irgendwie krass geil! Voll wie so 'ne Gang oder so!"
Junge 2: "Die sind aber trotzdem auch scheiße und dumm."
Junge 1 (ehrfürchtig): "Sei-enn-tollo-dschie ..." 
Junge 3: "Nee mann, dumm sind die nich, aber scheiße sind die auch."
Junge 4: "Wie scheiße denn?"
Junge 3: "Gefährlich und so. Irgendwie so. Glaub ich."
Junge 4 hört auf zu lachen.
Junge 1: "Klingt aber echt krass!"
An dieser Stelle wartet der Umstieg. Sowohl der des mitschneidenden Handys, das es inklusive seiner Besitzerin leider eilig hat, als auch der der vier Checker, die inzwischen allerdings auch wild durcheinander gröhlen. Nur noch Schlagworte wie "Sekten", "voll so katholisch", "Islam" und "Moslems, Alter!" bahnen sich akustisch ihren Weg. Es wäre sicher noch erhellend weitergegangen.

Sonntag, 12. August 2012

Zitat der Woche (18)

Mutter zu ihren zwei erwachsenen Töchtern:
"Früher hat euer Vater keine Widerworte gegeben. Da war er auch noch ein MANN! Heute ist er eine richtige Zicke."

Dienstag, 7. August 2012

Würgaholic

Im gähnend leeren Nachtbus lässt sich bisweilen Interessantes finden. Quasi vorwärts rollende Gesellschaftskritik, in welcher sich der Frust verunsicherter, existenzbedrohter Underdogs lyrisch Bahn bzw. Bus bricht.
Appell zum Abkotzen
Das mitschwingende Mitleid, zumindest Mitgefühl, für die armen Reichen kompromittiert nicht. Solidarität einer sozialen Gesellschaft ist alles! Sei auch du dabei!

Freitag, 3. August 2012

Leuchtend Schönes Design

Dass angesichts dauernder Wetterumschwünge mal die Pferde mit einem durchgehen können und man plötzlich seltsame Formen und Farben sieht, ist nachvollziehbar, menschlich und normal. Aber dieses Textildesign – vermutlich eines der hässlichsten, die je entworfen (und auch tatsächlich hergestellt!) wurden – hat die Trendspotterin wirklich und wahrhaftig erblickt! Ehrlich!
Nein, nicht Regina Regenbogen.
Für erwachsene Frauen. Größe L.
Zwei Wochen später hing das Einzelstück (Gott sei Dank! Die Welt wird nicht mit sowas überschwemmt! Was gut ist. Denn manche kaufen alles, wenn man ihnen nur sagt, dass es jetzt angesagt ist) nicht mehr in dem fraglichen Laden. Will sagen: Es wurde schockierenderweise tatsächlich – für übrigens nicht wenig Geld – gekauft! Oder rituell verbrannt? Oder in einer Galerie ausgestellt. Oder für das nächste Billige-Zeichentrickserien-Storyboard als Inspiration verwendet. Oder als textiler Bezug einer exklusiven Schultüte für Erstklässlerinnen verarbeitet. Die Einschulung naht, die Zeit drängt, da muss man nehmen, was man kriegt, wenn der Wunsch "Pferde" oder Ähnliches lautet. Notfalls auch für viel Geld; jeder weiß ja, wie die Kids und ihre Anspruchshaltungen heute sind.
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