Donnerstag, 27. März 2014

Geh weg, Kunst!

Berlins StraßenkünstlerInnen nehmen sich ja gern sehr ernst und sehr wörtlich. Sich oder die unsägliche Berliner Imagekampagne – hier unter dem Motto: be straße, be kunst, be berlin! Eine Nummer kleiner reicht dann auch der Bürgersteig, andernorts auch Gehweg genannt, statt der Straße, um sich kreativ zu betätigen.
Gehwegkunst
Was die/der unbekannte KünstlerIn den (und dem) Passierenden hier sagen will damit, dass Taschentuchfragmente Gehwegfragmente weiterfragmentieren, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, respektive im ersten Schritt.

Vielleicht, dass alles vergänglich ist, Zelltuch schneller als Pflasterstein, Mensch schneller als Stadt, und dann doch nicht; dass man dem Pollenallergie-Rotz immer Steine in den Weg legen sollte; dass auf den Weg kackende Köter die Schönheit dieser sexy Stadt trüben; dass Menschen das immerhin kreativ nutzen können; dass die Frage bleibt, ob das Kunst ist oder weg kann; dass vieles wegwerfbar, aber nicht automatisch auch verwerflich ist; dass der Weg das Ziel ist; dass das Wegwerfen das Ziel ist; dass nichts weggeht, wenn man nicht den Weg geht; dass die Ressourcen knapp werden; dass Glück und Frieden nur einen Steinwurf weit entfernt sind; dass man in unserer Kultur für fehlende Papiere quasi gesteinigt wird; dass man mal wieder "Stein, Schere, Papier (..., Echse, Spock)" spielen könnte; oder aber, dass jeder stets daran denken sollte, wie plötzlich jederzeit das Klopapier alle sein könnte.

Auf jeden Fall fordert(e) das Kunstwerk zum Mitmachen auf, zum Verändern, zum kreativen Umbau:
An Tag 2 ging die Kunst ihren Weg.
Die Stadt gehört uns, jede noch so kleine Baustelle erst recht, also ran an'n SpDreck! Lässt sich nun noch interpretieren, was die Aussage von Bild 2 gegenüber Bild 1 ist. Was wurde verändert? Die Freiheit des Papiers, vielleicht auch: der sinnbildlichen weißen Fahne, wurde durch einen Steinschlag begrenzt. Außerdem wurde das linke dem rechten Objekt formal angenähert. Vielleicht werden hier Gleichmacherei, Gruppendruck und gesellschaftliche Anpassung entweder angeprangert oder aber gefordert. Individualismus war gestern. Auch Steine und Taschentücher sind nur Herdentiere.

Solche in Veränderung, Über-Gang begriffenen Kunstinstallationen als Dokumente des Wandels regen jedenfalls immer wieder zum Innehalten und Interpretieren an. Danke, freie Kunstszene!
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